erkennen was märkte treibt

 

Baustoffhandel muss sich neu erfinden

Die Turbulenzen bei Baumax und die Personalreduktionen bei Obi werfen auch ein Schlaglicht auf die Situation des Baustoffhandels in Österreich. Die Lage ist schon lange nicht mehr so rosig, wie vielerorts angenommen, analysiert KREUTZER FISCHER & PARTNER in einer aktuellen Studie.

[21. Mai 2014 I WIEN] Der österreichische Baustoffhandel kämpft bereits seit Jahren mit schrumpfenden Erlösen. Waren es im Jahr 2012 noch moderate minus 0,8 Prozent geg. VJ, sank der Branchenumsatz im letzten Jahr substanziell um 2,1 Prozent geg. VJ. Berücksichtigt man auch Preiserhöhungen, lag das Minus real bei 2,5 Prozent (2012) bzw. knapp vier Prozent im letzten Jahr.

Erlöse im Baustoffhandel seit 2012 rückläufig

Die Herausforderungen des Baustoffhandels liegen an mehreren Fronten. Den auf den privaten Kunden ausgerichteten Baumärkten macht vor allem die sinkende Heimwerkerquote zu schaffen. Immer weniger Männer und praktisch kaum mehr Frauen wagen, komplexere Renovierungsvorhaben in Eigenregie durchzuführen. Selbst das Austauschen der Dichtung einer Badezimmerarmatur ist für eine zunehmende Anzahl von Haushalten ein Job für den Handwerker. Das liegt auch daran, dass seit Jahrzehnten die Anzahl der Auszubildenden in handwerklichen Berufen schrumpft. Und auch die berühmte „Nachbarschaftshilfe“ erodiert. Aus gutem Grund, ist doch eigene Freizeit mittlerweile für viele ein höheres Gut, als ein finanzielles Zubrot. Am deutlichsten lässt sich der Trend bei der Neuerrichtung von Einfamilienhäusern ablesen. Wurden diese noch in den 70er-Jahren primär mit Freunden und Verwandten gebaut, liegt die DIY-Quote mittlerweile österreichweit nur noch bei rund fünfzehn Prozent.

Denkt man den Verlauf weiter, reduziert sich das Heimwerken künftig wohl auf regelmäßiges Ausmalen der eigenen vier Wände und, wenn vorhanden, auf die Gartenarbeit. Damit verschiebt sich aber der Materialkauf vom Einzelhandel in den Großhandel. Doch dort ist der Baustoffhandel mit einem anderen, für ihn negativen Phänomen konfrontiert, zumal die Industrie die Geschäfte immer öfter mit dem ausführenden Handwerk selbst abwickelt. Der Baustoffhandel wird dabei entweder völlig ausgebremst oder auf die Logistikfunktion (Streckengeschäft) reduziert.

Immer weniger Heimwerker: DIY-Quote sinkt

Im Großhandel, also im Geschäft mit Baufirmen und Handwerksbetrieben, wird dem Baustoffhandel nun zum Verhängnis, dass er sich in der Vergangenheit zu defensiv mit neuen Warengruppen beschäftigt hat. So konnte man etwa in wichtigen Märkten, wie beispielsweise bei Fenstern oder neuen Technologien der Heiz- oder Energietechnik, nie richtig Fuß fassen. Die DIY-Baumärkte müssen sich zwar nicht dem Vorwurf einer mangelnden Expansion stellen, allerdings wurde durch die Ausweitung des ständigen Sortiments, wie etwa im Gartenbereich, oder durch ein erweitertes Angebot an Accessoires viele Jahre die sinkende Bereitschaft der privaten Haushalte, selbst Hand anzulegen kaschiert. Und auch die von den Filialisten vorangetriebene Flächenexpansion verstellte den Blick auf die wahre Marktentwicklung. Denn das daraus resultierende selektive Wachstum beruhte im Wesentlichen auf Marktanteilsgewinnen, dem bekanntlich ja auch so mancher bekannte Baustoffhändler zum Opfer fiel (Praktiker, Köck usw.).

Mittlerweile ist zumindest was das Flächenwachstum betrifft, der Plafond wohl erreicht. Nun benötigt der Markt organisches Wachstum. Das aber fehlt.

Umsatzrenditen im Baustoffhandel massiv unter Druck

Folglich nimmt sowohl im Baustoff-Großhandel als auch bei DIY-Baumärkten der Verdrängungswettbewerb zu. Und dessen Auswirkungen lassen sich eindrucksvoll in den Jahresabschlüssen nachlesen. Bei praktisch allen relevanten Anbietern sinkt die Umsatzrendite rasch. Lag das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) im Jahr 2011 im Durchschnitt noch bei 4,3% der Erlöse, sank es im Folgejahr auf 1,9 Prozent des Umsatzes. Und nicht nur Baumax weist ein negatives EGT aus. Nicht wenigen der Baustoffhändler bleibt gerade mal rund ein Prozent des Umsatzes oder weniger.

Cost-Cutting alleine reicht nicht. Neue Geschäftsmodelle sind gefragt.

Cost-Cutting alleine wird deshalb wohl nicht reichen. Vielmehr sind neue Geschäftsmodelle gefragt. Für DIY-Baumärkte bietet sich etwa eine Vorwärtsintegration an, indem verstärkt auch Baudienstleistungen angeboten werden. Diese könnten gemeinsam mit exklusiven Partnern aus dem Handwerk realisiert werden. Baumax hat das zuletzt versucht, ist aber an der Umsetzung gescheitert. Nicht zuletzt, weil die Unternehmenskultur und -struktur, die prinzipiell auf einem Verständnis als Selbstbedienungsladen fußt, nicht in Richtung Beratungskompetenz gedreht werden konnte. Dabei könnte ein Systemwechsel langfristig schon deshalb notwendig werden, weil das Handelsformat „Selbstbedienung“ an und für sich in Schwierigkeiten kommt. Denn so erfolgreich es in der Vergangenheit auch war, bedingt es doch zweier entscheidender Faktoren. Zum einen eine rasch wachsende Nachfrage, als Folge eines breit aufgestellten Aufholprozesses. Zum anderen wenig erklärungswürdige Produkte oder zumindest wissende Kunden. Beides ist heutzutage nicht mehr ohne Weiteres gegeben. Nicht nur nicht bei Baustoffen.

Alternativ kann auch eine Verschränkung des Baustoffhandels mit ausgewählten Produzenten angedacht werden, die sich am POS (Point of Sale) in Form von Shop-in Shop-Konzepten oder ganzen Flagship-Stores ausbildet. Die treibende Idee dahinter ist die Vertikalisierung des Vertriebs von baunahen Produkten. Ein Trend, den es seit Jahren nicht alleine bei Produkten mit hohem Ego-Nutzen, wie Bekleidung oder Schmuck gibt, sondern der auch bereits selektiv in den baunahen Sektor eingesickert ist (Fenster, Infrarotkabinen usw.). Oder aber man betreibt selbst Rückwärtsintegration und holt die Produktion in den eigenen Unternehmensverbund. Wie das funktionieren kann, zeigt der auf Produkte des Trockenbaus spezialisierte, mittlerweile international agierende österreichische Baustoffhändler Baustoff + Metall. Wenngleich man sich ebenfalls - erlösseitig - der schrumpfenden Baukonjunktur nicht entziehen kann, liegt die Umsatzrendite mit 8,2 Prozent (2012) doch weit über dem Branchendurchschnitt.

Tab: Umsatzentwicklung österreichischer Baustoffhandel total

Quelle: KREUTZER FISCHER & PARTNER Consulting GmbH

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