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Bodenstrategie: Schlimmeres abgewendet

Länder und Gemeindebund haben sich auf eine Bodenschutzstrategie geeinigt. Das ist eine erfreuliche Nachricht für die heimische Wirtschaft, zeigt eine Studie des Beraternetzwerks KREUTZER FISCHER & PARTNER.

[Wien | 5. März 2024] Die in der Vorwoche von Ländern und Gemeindebund beschlossene Bodenstrategie schlägt nach wie vor hohe Wellen. Grund dafür ist, dass die im Regierungsprogramm festgelegte Grenze einer Flächenneuinanspruchnahme von maximal 2,5 Hektar pro Tag (für ganz Österreich) unberücksichtigt blieb. Und das ist auch ganz gut so. Denn die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Folgen einer derart restriktiven Beschränkung wurden bislang verschwiegen.

Bereits im Herbst des Vorjahres legte das Beraternetzwerk KREUTZER FISCHER & PARTNER eine Studie vor, in der die Folgen einer Reduktion der Flächeninanspruchnahme auf 2,5 Hektar pro Tag im Detail beleuchtet werden. Der zu Folge wären die negativen Konsequenzen im Bereich der Industrie und Logistik, sowie im Kommunal-, Gesundheits- und Bildungsbereich am stärksten. In den letzten Jahren entfiel mehr als die Hälfte der neu in Anspruch genommenen Fläche auf den Nicht-Wohnbau und unbebaute Betriebsflächen. Um die Zielmarke von 2,5 Hektar pro Tag zu erreichen, müssten die für Betriebsansiedlungen oder Betriebserweiterungen, für Kindergärten, Schulen, Altersheime oder Kommunaleinrichtungen zur Verfügung gestellten Flächen um 85 bis 95 Prozent verringert werden. Damit würde man nicht nur das Wachstum der heimischen Wirtschaft massiv behindern, sondern auch den Ausbau der Wohlfahrts-Infrastruktur. Weitere Leidtragende wären die Häuslbauer. Bei Umsetzung der 2,5-Hektar-Vorgabe könnten jährlich bundesweit nur noch rund 1.000 neue Einfamilienhäuser errichtet werden. Im Durchschnitt der letzten zwei Jahrzehnte waren es zirka 16.500 Gebäude pro Jahr. Auf lange Sicht könnte das die Spaltung der Gesellschaft zementieren. Auf der einen Seite stehen dann die Besitzenden. Das sind jene, die ein Eigenheim durch Erbschaft gewonnen oder mittels Einsatz hoher Geldmittel am Sekundärmarkt gekauft haben. Auf der anderen Seite befindet sich der Rest der Gesellschaft, dem der Zugang zum eigenen Haus verwehrt bleibt, obgleich ein solches, insbesondere für den Mittelstand, das wohl letzte mächtige, physische Zeichen für Erfolg und Wohlstand ist.

Im Gegenzug müsste man mehr Mehrfamilienhäuser bauen und diese um drei bis vier Stockwerke höher, da infolge der wachsenden Bevölkerung der Wohnraumbedarf auch künftig steigt.

Alleine in der Bauwirtschaft würde die Umsetzung des 2,5 Hektar-Ziels mehr als 70.000 Beschäftigten den Arbeitsplatz kosten. Durch Abwanderung von Industriebetrieben wären es mittelfristig in anderen Wirtschaftssektoren gut dreimal so viele. Dabei gibt es für eine derart drastische Reduktion des Flächenverbrauchs gar keinen Grund. In den letzten Jahren lag die jährliche Flächeninanspruchnahme im Schnitt bei knapp 42 Quadratkilometer. Rund die Hälfte davon wurde versiegelt. Das entspricht in etwa 0,02 Prozent der Landesfläche. Insgesamt waren im Jahr 2022 rund 3,5 Prozent von Österreich überbaut, asphaltiert oder zubetoniert. Damit ist die Versiegelungsquote in Österreich niedriger als in anderen europäischen Industrienationen wie bspw. den Niederlanden, der Schweiz, Frankreich, Belgien, Deutschland, Italien oder im Vereinigten Königreich. Selbst bei weiterhin konstanter Flächeninanspruchnahme (42km²/Jahr) bis zum Jahr 2200 – die niemand fordert –, wäre der Anteil der versiegelten Fläche in Österreich nach wie vor geringer als in den Niederlanden und Belgien im Jahr 2018.

Zwischen 2015 und 2022 erhöhte sich die jährlich beanspruchte Fläche in Österreich um 5,3 Prozent und damit um einen Tick stärker als die Bevölkerung (+4,9%). Allerdings: die reale Wirtschaftsleistung wuchs doppelt so schnell. Und da in Industrienationen Wirtschaftswachstum nicht ohne entsprechende Produktionskapazitäten möglich ist, sollte man den Flächenverbrauch – seriöser Weise – in Zusammenhang mit der volkswirtschaftlichen Entwicklung interpretieren. Im Übrigen muss man sich auch um den Selbstversorgungsgrad bei Agrarprodukten keine Sorgen machen. Zwar sank die Ackerfläche in Österreich zwischen 2012 und 2022 in der Tat um 2,5 Prozent, allerdings erhöhte sich im selben Zeitraum der Hektarertrag mit Feldfrüchten um 15,4 Prozent.

Schlussendlich hätte sich die Frage gestellt, wie eine auf Bundesebene fixierte Zielmarke (2,5ha/Tag) auf kommunaler Ebene umgesetzt werden soll. Rund 60 Prozent aller österreichischen Gemeinden haben nicht mehr als 2.000 Einwohner. In knapp 90 Prozent aller Kommunen leben weniger als 5.000 Personen. Legt man die Zielmarke auf die Bevölkerungsanzahl um, steht in den Flächenbundesländern (ohne Wien) je Einwohner zwischen 1,0 und 1,3 Quadratmeter pro Jahr zur Verfügung. In einer Median-Gemeinde sind das somit weniger als 2.000 Quadratmeter pro Jahr. Auf dieser Fläche stehen dann Eigenheime mit Mehrfamilienhäusern, kommunalen Gebäuden (bspw. Kindergarten), Spielplätzen oder Gewerbebauten in Konkurrenz. Die Gemeinde hätte also die Wahl gehabt, ob sie drei bis vier Eigenheime bewilligt oder ein Mehrfamilienhaus. Ob sie alternativ lieber einen Kindergarten baut oder einen Spielplatz errichtet. Oder sich für die Ansiedlung eines Gewerbebetriebs entscheidet. Alles gleichzeitig wäre nicht gegangen. Vielmehr hätten Wartelisten für Baubewilligungen angelegt und entschieden werden müssen, ob man diese nach dem Prinzip „First Come – First Serve“ führt oder anders priorisiert. Der Amtsschimmel hätte gewiehert.

 

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