Die Buchpreisbindung wird gerne auch als Instrument zur Aufrechterhaltung einer Vielzahl von Verkaufsstellen im stationären Einzelhandel interpretiert. Das hat sich als Irrtum erwiesen, wie eine aktuelle Studie von KREUTZER FISCHER & PARTNER (KFP) zeigt.
[01.09.2016 | Wien] Dem österreichischen Buchhandel ging es schon mal besser. Die Ausgaben der Privathaushalte für Belletristik und Sachbücher (ohne Fachbücher für Schule, Studium und Beruf) sanken im Jahr 2015 um minus 3,6% geg. VJ auf 487 Millionen Euro. Seit der Jahrtausendwende schlossen Jahr für Jahr rund 20 Buchhändler ihre Läden. Mittlerweile gibt es österreichweit nicht einmal mehr 400 Vollsortimenter, also Buchhändler, die prinzipiell das gesamte Verlagsangebot anbieten.
Dabei sollte die Buchpreisbindung genau so ein Szenario verhindern. Neben der Aufrechterhaltung einer literarischen Vielfalt wurde die Buchpreisbindung erdacht, um den Konkurrenzkampf im Handel abzudämpfen und von der Preisebene auf die Qualitätsebene zu verlagern. Doch das Instrument greift mittlerweile zu kurz. Und das aus gutem Grund, denn die Buchpreisbindung betrifft bekanntlich lediglich die Verkaufspreise, nicht aber die Einkaufspreise des Buchhandels. Damit kommt jedoch eine nicht ganz unwichtige betriebswirtschaftliche Komponente ins Spiel. Große stationäre Buchhändler (Filialisten) und Onlinehändler kaufen deutlich günstiger ein als der kleine, unabhängige Buchhändler. Bei Bestsellern, die etwa 57% des Gesamtumsatzes ausmachen, liegen die Rabatte bei bis zu 50 Prozent. Da der Verkaufspreis gebunden ist, können die Big Player die höheren Margen in den Ausbau der Standorte und/oder in die Lagerhaltung, also die sofortige Verfügbarkeit der Bücher, investieren. Das sind aber jene qualitativen Elemente, mit dem das Gesetz eigentlich den eigenständigen, großteils kleinstrukturierten Buchhandel schützen wollte. Im stationären Buchhandel führte das bis vor wenigen Jahren zu einem Konzentrationsschub, indem Filialisten eingesessene Buchhändler vom Markt kauften. Zuletzt federten Thalia, Morawa, Facultas und Co. mit vergleichsweise besseren Einkaufskonditionen die steigenden Kosten im stationären Buchhandel ab. In den letzten zehn Jahren stiegen hierzulande die Mieten und Betriebskosten um vierzig, die Personalkosten um 44 Prozent. Bücher wurden hingegen im selben Zeitraum im Durchschnitt nur um sieben Prozent teurer.
Zudem sind Onlinehändler, allen voran Amazon, mittlerweile zu gewichtigen Konkurrenten herangewachsen. Der Marktanteil lag zuletzt bei mehr als einem Drittel, Tendenz steigend. Der Grund dafür liegt auch hier im Wesentlichen in der Verfügbarkeit. Denn bei einer durchschnittlichen Verkaufsfläche von gerade mal 160 Quadratmetern im stationären Buchhandel lassen sich nur ein Bruchteil der Neuerscheinungen und Spurenelemente des Back-Katalogs vorrätig halten, zumal sich nach wie vor nur wenige Buchhändler auf bestimmte Themenbereiche konzentrieren. Doch wenn der stationäre Händler das gewünschte Buch nicht lagernd hat und selbst erst bestellen muss, kann man gleich bei Amazon kaufen, womit man sich auch die Abholung des Buches erspart. Dies wiegt um so gewichtiger, da die Öffnungszeiten der Buchhändler alles andere als kundenfreundlich sind, speziell wenn man die Sache in jenem kulturellen Kontext betrachtet, mit der die Buchpreisbindung ja ebenso gerne begründet wird. Denn wenn man davon ausgeht, dass Bücher Kulturgüter sind, dann sollten auch nicht die Ladenöffnungszeiten des herkömmlichen Einzelhandels zur Anwendung kommen, sondern jene anderer Kultureinrichtungen. Also offene Läden bis beispielsweise zehn Uhr am Abend, auch am Sonntag und am Feiertag. Allerdings haben mit dieser Idee große Teile des Buchhandels keine rechte Freude, selbst wenn man dadurch auf lange Sicht wieder Marktanteile vom Onlinehandel zurückholen könnte, weil man den Konsumenten mehr Lust aufs Bücherlesen macht und mehr Einkaufsgelegenheiten schafft. Denn vielerorts müsste aufgrund der Kleinstrukturiertheit der Branche wohl auch der Eigentümer selbst länger im Laden stehen.
Kurzum, Dreh- und Angelpunkt sind in jeder Hinsicht die Einkaufskonditionen. Insofern ist es unverständlich, dass es - anders als in anderen kleinstrukturierten Handelsbranchen - bislang noch keine Einkaufsverbände gibt, die das Volumen der einzelnen, kleinen Buchhändler bündeln. Dabei gäbe es mit der Buchmedia-Gruppe durchaus bereits eine brauchbare Plattform, auf der sich mittlerweile 80 Händler organisieren. Doch anstatt sich um einen gemeinsamen Einkauf zu bemühen, beschränkt man sich dort bloß auf gemeinsame Werbeaktivitäten. Möglicherweise ist das auch darauf zurückzuführen, dass die Buchverlage der Gründung von Einkaufsverbänden bislang skeptisch gegenüberstanden. „Wenn das derzeitige Preisregime nicht zum Sargnagel des stationären eigenständigen Buchhandels werden soll, werden sich die Buchverlage aber wohl bewegen müssen, auch aus Eigeninteresse“, so Andreas Kreutzer, Geschäftsführer von KREUTZER FISCHER & PARTNER. „Denn wenn der deutschsprachige Buchmarkt nur noch von Amazon und einigen großen Filialisten wie Thalia, DBH oder Mayersche Buchhandlung dominiert wird, müssen sich wohl auch die Buchverlage ganz warm anziehen“, so Kreutzer weiter.
Studiendesign:
Die Studie wurde von KREUTZER FISCHER & PARTNER zwischen Mai und Juni 2016 als Auftragsstudie für einen britischen Finanzinvestor erstellt. Datenquellen sind neben umfangreichen eigenen Erhebungen auch die Auswertung von sekundären Datenquellen, etwa dem BRANCHENRADAR Ausgaben und Sparen Privater Haushalte in Österreich 2016 oder die vom Hauptverband des Buchhandels und Thalia bei Friedrich Schneider (Johannes Kepler Universität Linz) in Auftrag gegebene Studie „Wirtschaftliche Situation des stationären Buchhandels in Österreich“ (2015).
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