erkennen was märkte treibt

 

Ohne Arzt geht es auch. OTC-Schnelltests heben ab

Die POC-Diagnostik zählt zu den attraktivsten Pharma-Märkten in Deutschland. Speziell die Nachfrage nach OTC-Produkten zur Selbstkontrolle durch den Patienten wächst enorm, nicht zuletzt durch die Erschließung neuer Vertriebswege im Drogerie- und Lebensmitteleinzelhandel, das zeigt eine aktuelle Studie des Beraternetzwerks KREUTZER FISCHER & PARTNER.

[27.06.2016 | Wien] In Deutschland wurden mit POC-Diagnostik (Schnell- und Selbsttests von Laborwerten) im Jahr 2015 knapp 1,5 Milliarden Euro umgesetzt, in der gesamten DACH-Region waren es rund 1,8 Milliarden Euro. Im Vergleich zu 2014 wuchs der Markt robust um rund drei Prozent.

Dabei verlagert sich der Fokus zunehmend auf das Segment der nicht-verschreibungspflichtigen OTC-Produkte zur Selbstkontrolle durch den Patienten. In diese Produktkategorie fallen etablierte Selbsttests wie Blutzuckertest, Schwangerschaftstest und Cholesterin-Test mittels Teststreifen und Messgerät genauso wie neu entwickelte Produkte. Zu letzteren zählen bspw. Fruchtbarkeitstests für Mann und Frau, Tests zu Lebensmittelunverträglichkeit und Allergien, Tests für die Gesundheitsvorsorge (z.B. Darmkrebsfrüherkennungstest) oder die Messung des Gesamtcholesterins mittels Einweg-Test-Kit ohne die Anschaffung eines speziellen Messgeräts. Und es sind speziell diese Neuentwicklungen, die den Markt treiben.

Insgesamt wurden in Deutschland mit OTC-Schnelltests im letzten Jahr bereits 641,1 Millionen Euro umgesetzt (DACH: 768,6 Mio. Euro). Doch während die Erlöse aus Blutzuckertests um 2,8 Prozent und klassischen Schwangerschaftstests um ein Prozent wuchsen, legte das innovative Segment insgesamt um 31 Prozent zu. Zwar ist dessen Umsatzanteil mit rund drei Prozent noch gering, das Potential aber enorm. Für heuer wird ein weiterer Anstieg um zwanzig Prozent erwartet, bis 2018 sogar eine Verdreifachung des Umsatzes auf 63 Millionen Euro.

Diese rasante Entwicklung ist nur im Kontext mit dem Trend zur Selbstdiagnose von Krankheiten unter Zuhilfenahme des Internets zu verstehen. Denn darauf aufbauend wollen immer mehr „Informationssuchende“ zumindest einen Vortest selbst durchführen, ohne dafür gleich einen Arzt aufsuchen zu müssen. Unterstützt werden die Patienten in diesem Vorhaben durch die gezielte Vertriebsstrategie der Hersteller. Denn um den Produkten mehr öffentliche Präsenz zu verschaffen, ergänzen einige Anbieter die tradierten Vertriebsstrukturen (Apotheken und Online-Shops) durch breite Listungen in Drogeriemärkten und im Lebensmittelhandel. So sind etwa OTC-Schnelltests von NanoRepro auch bereits in einigen Läden von Rossmann, REWE oder Edeka erhältlich. Bislang reduzierte sich das einschlägige Angebot bei den meisten Ketten und Filialisten auf klassische Schwangerschaftstests. Bei der Platzierung der Produkte in den Regalen verfolgt man einen Cross-Selling-Ansatz. So steht beispielsweise der Glutentest neben der glutenfreien Nahrung, der Scheidenpilztest bei der Milchsäure-Kur und der Helicobacter-Test neben den Nahrungsergänzungsmitteln für Magen-Darm.

Die Zukunft der Heimdiagnostik liegt zweifelsohne in den Läden des täglichen Einkaufs, meint Andreas Kreutzer von KREUTZER FISCHER & PARTNER. Denn auf diese Weise lässt sich nicht nur die Awareness steigern, sondern durch die breitflächige, unkomplizierte Verfügbarkeit (offene Platzierung) auch der Nachfragemechanismus von Pull auf Push umstellen. Und erst dadurch können die Absatzpotentiale ausgeschöpft werden. Bis 2020 könnte so alleine das Marktsegment der Neuentwicklungen auf über 100 Millionen Euro steigen.

Wer auf Anbieterseite am Ende die Nase vorne hat, lässt sich allerdings heute noch nicht abschließend einschätzen. Die etablierten Produktgruppen werden allesamt von global agierenden Herstellern dominiert, beim Blutzuckertest etwa Bayer, Abott, Roche oder B. Braun. Den Markt für Schwangerschaftstests hat wiederum SPD Swiss Precision Diagnostics GmbH (Clear Blue), ein Joint Venture zwischen Procter & Gamble und Alere, fest im Griff. In den innovativen Produktbereichen matchen sich Big-Player wie Stada mit Start-Ups wie Direct Sense oder Kiweno und voraussichtlich in Zukunft auch vermehrt mit Pharmagroßhändlern, die mit Eigenmarken auf den Markt drängen.

Alle Angaben ohne Gewähr.

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Anlage: Marktentwicklung OTC-Schnelltests