Mit der politisch getriebenen Angstmache vor einem Ausverkauf des heimischen Trinkwassers wird nur dem möglichen Verlust einer kommunalen Cash Cow vorgebaut, analysiert KREUTZER FISCHER & PARTNER in einer aktuellen Studie.
[09. Juli 2014 | WIEN] Die öffentliche Diskussion über eine von der Europäischen Union angeblich erzwungene Privatisierung der Trinkwasserversorgung lenkt elegant von den wahren Motiven einer monopolisierten kommunalen Daseinsvorsorge ab. Denn zumindest seit 1993 sind die kommunalen Dienstleistungen ein gutes Geschäft. Bekanntlich wurden die Gemeinden mit dem Finanzausgleich 1993 ermächtigt, bis zu 100 Prozent Gewinn auf die tatsächlichen Kosten kommunaler Dienstleistungen aufzuschlagen. Und von diesen wurde diese Möglichkeit in den letzten zwanzig Jahren weidlich genutzt. Die Folge war ein Anstieg der Kommunalgebühren weit über der Inflationsrate. Alleine die jährliche Erhöhung der Trinkwasserpreise liegt seit 1992 im Durchschnitt um nahezu sechzig Prozent über der jeweiligen Inflationsrate. Die kommunalen Erträge aus der Versorgung mit Trinkwasser betragen insgesamt jährlich rund eine halbe Milliarde Euro. Das man so ein Geschäft nicht durch einen freien Wettbewerb „gefährden“ möchte, ist aus Sicht der kommunalen Monopolisten verständlich, wenngleich volkswirtschaftlich schädlich. Genauso gut hätte man ja auch das Telekom-Monopol aufrecht erhalten können.
Dass trotzdem bereits rund 160.000 Haushalte von einem teilprivatisierten Anbieter mit Trinkwasser versorgt werden, hat ebenfalls primär finanzielle Motive. Immer dann, wenn für eine Kommune größere Investitionen in die Trinkwasser-Infrastruktur notwendig werden - etwa weil das Grundwasser mit Schadstoffen belastet ist oder die Sanierung des Rohrleitungssystems das Gemeindebudget überfordert - steht eine mögliche Auslagerung ebendieser auf der Agenda. Nicht zuletzt, weil auch die Bundesförderungen für den Siedlungswasserbau kräftig gestutzt wurden. Durch den Verkauf der Trinkwasser-Infrastruktur an einen privaten Betreiber können aber auch jene finanzielle Mittel lukriert werden, die die Gemeinde für andere kurzfristige Investitionen benötigt, beispielsweise für den Ausbau von Kindergartenplätzen oder den Pflegebereich. Eine Gemeinde geht mit der Privatisierung der Trinkwasserversorgung auch kein besonders hohes Risiko ein, verlieren sie doch damit nicht zwingend den Zugriff auf die Trinkwasserquelle. In der Regel bleibt diese im Besitz der Gemeinde. Vielmehr wird vielerorts lediglich die Betriebsführung abgegeben, manchmal auch die Hoheit über die Infrastruktur (Pumpwerk, Leitungen etc.). Die Versorgungssicherheit und die Parameter für die Preisgestaltung sind immer vertraglich fixiert.
Teilprivatisierte Trinkwasserversorger in Österreich: EVN, Energie AG und Salzburg AG
Abgesehen von privat betriebenen Kleinst-Wasserwerken, die vielleicht einen Weiler oder zwei versorgen, ist etwa in Niederösterreich die EVN oder in Oberösterreich die Energie AG im Wassergeschäft tätig. In beiden Bundesländern werden aktuell jeweils rund dreißig Gemeinden mit Trinkwasser versorgt. In Niederösterreich erreicht man damit rund 84.000 Personen, unter anderem in den Gemeinden Himberg, Gerasdorf oder Strasshof. In Oberösterreich beziehen 140.000 Menschen ihr Trinkwasser von einem betriebswirtschaftlich orientierten Unternehmen, u.a. die Stadt Wels mit fast 60.000 Einwohnern. Der rein gesellschaftsrechtlich betrachtet größte teilprivatisierte Trinkwasserversorger Österreichs ist übrigens die für die Landeshauptstadt Salzburg zuständige Salzburg AG, ist doch die Oberösterreichische Energie AG mit 26 Prozent am Unternehmen beteiligt. Die Salzburg AG versorgt rund 150.000 Personen mit Trinkwasser. Insgesamt beziehen daher zur Zeit rund 380.000 Personen ihr Trinkwasser von einem teilprivatisierten Anbieter.
In den Versorgungsgebieten von EVN, Energie AG oder Salzburg AG sind weder die Wasserpreise höher als in vergleichbaren Gemeinden mit kommunalen Betreibern, noch ist die Qualität des Trinkwassers schlechter. Ganz im Gegenteil: Im nordöstlichen Weinviertel, das für sein besonders kalkhaltiges Wasser bekannt ist, investiert die EVN gerade 50 Millionen Euro in eine Naturfilteranlage, um das Trinkwassers für 30.000 Einwohner zu entkalken. Diesbezügliche Vorhaben sind von kommunalen Betreibern der Region nicht bekannt. Vielmehr werden in Ober- und Niederösterreich nach wie vor eine ganze Reihe von kommunalen oder genossenschaftlichen Wasserversorgungsanlagen nur mit einer Ausnahmegenehmigung betrieben, weil das Trinkwasser die Grenzwerte - etwa für Nitrat, Atrazin oder Desethylatrazin - überschreitet. Als Grund für die Abweichung wird in den meisten Fällen angegeben, dass „Trinkwasserversorgung nicht anders sichergestellt werden kann“. Betroffen davon sind rund 40.000 Personen.
Quelle: KREUTZER FISCHER & PARTNER Consulting GmbH
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